Die chinesische Geschichte als Waffe der Politik
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Kunst von den Massen für die Massen
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Die Kultur in der Kulturrevolution
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Leben in der Kulturrevolution war bestimmt von der herrschenden Hand
einer Frau, Jiang Qing, der Ehefrau des Großen
Vorsitzenden Mao Zedong. Unterstützt von
Verteidigungsminister Lin Biao hatte sie bereits Mitte der 1960er
Jahre angefangen, sogenannte revolutionäre Beijing-Opern,
die durchweg Themen des revolutionären Kampfes der
kommunistischen Partei Chinas behandelten, zu propagieren und damit
die herkömmlichen Opern, die Stoffe aus der chinesischen
Geschichte verarbeiteten und entsprechend viele Kaiser, Geister
und Edeldamen auf die Bühnen brachten, zu verdrängen.
Jede
Kunstform, so hatte Mao einst 1942 in seinen Yananer
Reden über Literatur und Kunst argumentiert, ist
einer bestimmten Klasse zugehörig. In den Jahren der
Kulturrevolution sollte entsprechend mit der Vormachtstellung der
feudalen, reaktionären elitären,
aristokratischen und bourgeoisen Kunstformen
gebrochen werden. Es sollte darum gehen, eine neue Kunst, von
den Massen für die Massen zu schaffen. Entsprechend waren
nur noch ganz bestimmte und korrekte Farben, Formen und Klänge
im Pantheon der kulturrevolutionären Kunst zugelassen: Das Spiel
der chinesischen Literatenzither Guqin und die von reichen
Dilettanten praktizierte chinesische Tusch- und Landschaftsmalerei
(Guohua) waren ob ihres aristokratischen Hintergrundes
verpönt; traditionelle Dichtung, Opern und Romane redeten zu
viel von Kaisern und Edeldamen, zu wenig von Arbeitern, Bauern und
Soldaten. Beethoven, Schubert und Brahms waren ihrer bourgeoisen
Herkunft und Lebensweise wegen verschrieen, Tschaikowskij und
Rachmaninoff wurden als Vertreter des revisionistischen
Sowjetreiches angesehen und durften deswegen nicht gespielt werden;
die konfuzianischen Klassiker predigten die Ansichten eines
reaktionären Vertreters der Sklavenhaltergesellschaft
und sollten darum nicht mehr gelesen werden; diese Liste ließe
sich noch eine Weile fortsetzen.
An die Stelle
dieser falschen, gefährlichen Kunst und Kultur sollten die Werke
der arbeitenden Massen treten. Entsprechend wurde die Bauernmalerei
und die Papierschneidekunst gefördert; Gedichte, Geschichten,
Lieder und Bilder von Amateuren aus Dörfern und Fabriken wurden
gepriesen und bourgeoise Kunstformen, wie das Ballett oder das
Klavierkonzert wurden mit neuen revolutionären Inhalten gefüllt,
um somit die Bourgeoise mit ihren eigenen Mitteln umso härter zu
treffen und zu schlagen, denn, so Mao in den Yananer Reden (ein
Zitat, das seinen Weg auch in das kleine rote Buch fand, Nr. 32):
Die revolutionäre Kultur ist für die breiten
Volksmassen eine machtvolle Waffe der Revolution.
Vor allem in
zwei Phasen der Kulturrevolution wurde dieser Grundsatz mit
besonderer Heftigkeit verfolgt: In der Anfangsphase unter den Roten
Garden (v.a. 1967), die im Kampf gegen die Si Jiudie
Vier Alten (Gebräuche, Gewohnheiten, Kultur und
Denken) unzählige Kulturdenkmäler und Kunstwerke zerstörten
und in der Schlußphase der Kulturrevolution, während der
Kampagne gegen Lin Biao und Konfuzius, die 1974 begann und zum
endgültigen Sieg des Marxismus über den Revisionismus
und des Proletariats über die Bourgeoisie führen
sollte.
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